Ungarn – Röszke

Ungarn – Röszke, den 12.September 2015.

Es ist 03:30 Uhr, unsere Zimmernachbarin Sophie kommt vom „Free Pub Crawl Budapest“ nachhause, wir stehen auf, duschen uns nacheinander, packen unsere Kamera und sonstige Gerätschaften in den Rucksack, frühstücken die letzten vier Scheiben unseres Brotes und verlassen gegen 5:30 Uhr das Hostel.

Am „City Corner Büro“ angekommen müssen wir jedoch feststellen, dass das ungarische 05:45 Uhr eher einem 06:00 Uhr entspricht, allerdings scheint das auch nur für die Leiterin der Diakonie in Budapest Annamária Buda zu gelten, der Rest unserer Truppe trudelt in der nächsten Viertelstunde erst ein.

Acht Leute sind wir, ein alternder Johanniter mit Frau, zwei Herrschaften der spanischen REMAR, Annamária, ihr Pressesprecher Tibor Hajdú und wir beiden, gemeinsam brechen wir auf nach Röszke, um Container zur Lagerung der Hilfsgüter aufzustellen.

Die Fahrt von Budapest dauert zwei Stunden, es sind zwei lange Stunden, in denen es gilt, nicht einzuschlafen, in Mórahalom machen wir einen Zwischenstopp um den Bürgermeister wie geplant aufzulesen, dieser ändert allerdings seine Meinung, nachdem er uns mehr als eine halbe Stunde hat warten lassen drastisch und entscheidet sich, lieber doch nicht mitzufahren.

Der Tag kann nur besser werden.

Wir fahren also ohne Bürgermeister weiter, bis wir an ein kleines Camp kommen, welchen recht versteckt zwischen Feldern und Bäumen liegt, hier scheinen wir aber nicht allzu erwünscht zu sein, so dass der nicht-Diakonie-Teil unter uns, also 75% der Mitreisenden gar nicht erst aussteigt.

Wir fahren weiter, ich schlafe ein.

Zwanzig Minuten später merke ich, dass wir anhalten und werde wach.

Näher als 800 Meter kommen wir an diesem Samstag über diese Straße mit dem Auto nicht an das sagenumwobene „Feld-Camp“.

Nach ca. 600 Metern biegen wir um eine leichte Linkskurve und sehen die Zelte und Busse.

Auch die Polizei ist auf diese Distanz nicht zu übersehen, zahlreich ist sie angereist, nicht so zahlreich jedoch, wie die hunderte Flüchtlinge, die in einer Reihe auf ihren Weitertransport in den Bussen warten.

Jene Reihe ist allerdings auch sofort das einzig wirklich Koordinierte, das sich ausmachen lässt, der Boden ist gepflastert von Müll, überall stehen Zelte und liegen Matten.

 

Doppelt hält besser

Unter diesem Motto scheinen sämtliche NGOs ihre Pavillons aufgeschlagen zu haben, zahllose Essensstände treffen auf gleich viele Kleiderberge und Getränkeausgaben.

Es gibt keine Abstimmung untereinander, was dazu führt, dass Kleidung in dem von zwei vorangegangen Regentagen aufgeweichten Boden liegt, es ist schlichtweg zu viel.

Die Essensreste stapeln sich, vergammeln langsam und locken Mücken an, das sollen wir noch am eigenen Leib spüren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich auf dieser Wiese auch größeres, Krankheiten-verbreitendes Getier vergnügt.

Fast alles ist im Überfluss vorhanden, woran es jedoch mangelt ist medizinische Versorgung – sehen ein vergleichsweise kleines Ärzte-ohne-Grenzen-Zelt – sowie Dolmetschern, welche der Verständigung zwischen Polizei und Flüchtlingen sicherlich gut tun würden.

Diese fehlende Koordination, welche wir auch schon am Bahnhof erleben konnten, ist die Folge einer Regierung, die sich aus der Hilfe für Flüchtlinge raushält, die einzig und alleine auf ihre eigenen Interessen der EU gegenüber eingeht.

 

Nur noch das Tor fehlt

Arne und ich laufen die Schienen entlang, bis wir zur serbischen Grenze kommen, hier erwartet man uns mit Kalaschnikows, einer der Soldaten zieht mich am Pullover zur Seite, da er anscheinend denkt, ich wolle auf die andere Seite.

Nebenbei hört man durchgehend, wie Metall auf Metall geschlagen wird, die Pfeiler für den neuen Zaun werden schon jetzt aufgestellt, rund um die Schienen ist auch schon der Abwehrzaun montiert, so dass am 15.September, wenn die Grenze planmäßig geschlossen wird, nur noch das Tor für Züge eingehengt werden muss.

Zurzeit ist hier allerdings noch ein Loch im Zaun und die Leute kommen in Heerscharen aus Serbien, wo sie sich ohnehin nur 72 Stunden aufhalten dürfen.

Uns kommen Menschen entgegen, die sich freuen, diese Grenze wenigstens ohne Probleme passiert zu haben, ein Mann kommt freudestrahlend auf uns zu und lacht uns an, als er uns fragt, ob dieses Fleckchen Erde „Almanya“ sei, müssen wir ihn jedoch enttäuschen.

 

Zwischen hier und Deutschland liegt noch viel Ungarn

Auf unserem Rückweg, die Gleise entlang, fällt uns eine Gruppe auf, die auf den Gleisen sitzt.

Unsere Aufmerksamkeit gehört ihnen allerdings nicht, weil sie hier noch 300 Meter vor dem Camp sitzen, sondern da ein junger Mann den Rest der Gruppe davon zu überzeugen versucht, ihm in das noch stehende Maisfeld zu folgen.

Später erfahren wir, dass es die Meldung eines Flüchtlings im Internet gegeben haben muss, dass dieses Maisfeld die einzige Chance ist, die Polizei eventuell zu umgehen.

Und das stimmt auch, wer die Schienen bis zur Querstraße weiterläuft und im „Feld-Camp“ ankommt, der hat nur schwierig die Möglichkeit, der Polizei aus dem Weg zu gehen, so dass es vor allem Familien sind, die solange auf dem matschigen Boden Südungarns warten müssen, bis sie in einen der ehemaligen Hauptstadtbusse gesetzt werden und die 1,5 Kilometer zu „Hangar 1“ gebracht werden.

Hier angekommen heißt es zunächst einmal warten, teilweise müssen die Menschen stundenlang in den Bussen vor dem Tor ausharren, da immer nur ein Bus einzeln zur Registration fahren kann, wo es dann wiederum dauert, bis jede Familie nacheinander registriert wird.

Als wir am Camp einrollen ist es immer noch morgens, für meine Verhältnisse durchaus sehr früh morgens, so scheint es auch der erste Bus des Tages zu sein, der ankommt, als wir gerade dabei sind, Decken und Matratzen aus einem schlechtaufgebauten Militärzelt auf Paletten stapeln.

Die letzten zwei Tage haben auch hier ihre Spuren hinterlassen, der Deckenberg ist, wie auch die Matratzen bis auf die letzte Faser durchgeweicht und dreckig, teilweise sind so verschmutze Decken dabei, dass ich mich kurzzeitig freue, die von mir so verhassten Latex-Handschuhe doch angezogen zu haben.

Als die erste Familie aus dem Bus geführt wird genehmige ich mir eine kurze Pause und einen Blick auf das Prozedere.

Eine gefühlte Ewigkeit, nach dem die drei Kinder mit ihren Eltern an den ersten Tisch getreten sind scheinen alle Personalien aufgenommen zu sein, so dass jedes Familienmitglied an Tisch zwei ein Bändchen um das Handgelenk bekommt, das unsere Generation von Schützenfesten oder Partys kennt.

 Annamária erklärt mir, dass hier zwar auch Fingerabdrücke genommen würden, diese allerdings nicht für den Asylantrag verwendet werden, sondern lediglich zur Registration der Grenzstörung dienen.

Die Registration nach Dublin III Richtlinien wird dann im Erstaufnahmelager durchgeführt, in das die Flüchtlinge nach 2-3 Tagen transportiert werden.

 

Schlimm, aber nicht so schlimm

Zum Händewaschen und um Kleidung vorerst in den Raum des Roten Kreuzes zu packen, müssen wir seitlich in den Hangar und vorbei an riesigen Scheiben.

Da dieses der einzige Ort ohne polizeiliche Überwachung zu sein scheint, bleiben wir stehen und schauen in die Lagerhalle herunter.

Wir merken schnell, dass dieses hier genau die Lagerhalle ist, in der das Video gedreht wurde, in dem Polizisten das Essen wahllos in die Menschenmenge werfen, was zusammen mit den Bauzäunen an die Raubtierfütterung im Zoo erinnert.

Diese Szenen können wir uns allerdings nicht vorstellen, da die hier eingesetzten Polizisten zwar sicherlich nicht alle begeistert und freundschaftlich mit den hier „Eingesperrten“ umgehen, der Großteil ist allerdings bemüht, den Flüchtlingen mit Händen, Füßen und gebrochenem Englisch zu erklären, was sie zu tun haben und helfen uns beim Einlagern von Hilfsgütern, die das DRK, sowie eine schwedische Privatorganisation gespendet haben.

Natürlich sind die Bedingungen im Hangar selbst nicht gut, oder gar lebenswert, aber auch nicht unmenschlich oder absichtlich verschlechtert, es sind eben viele Menschen mit vielen Matratzen in einer für diese Verhältnisse recht kleinen Lagerhalle.

Doch alle Flüchtlinge, mit denen wir sprechen sagen uns eins:

Der schlimmste Aufenthalt war auf den griechischen Inseln, wo tausende Menschen ohne sanitäre Anlagen auf kleinstem Raum auf sich selbst gestellt sind.

 

Die serbische Grenze

Nach dem Aufstellen der ersten Container müssen wir warten, bis die zwei LKW-Fahrer, die uns den ganzen Tag hinterherfahren und auch noch bis 20:30 Uhr in Röszke bleiben sollen, die nächsten zwei abgeholt haben.

In der Zwischenzeit nimmt Attila von der Diakonie uns mit über die serbische Grenze, er setzt uns in der Grenzstadt Horgoš und fährt dann weiter Richtung Süden.

Wir stehen direkt an den Gleisen, die ab hier noch 3 Kilometer durch Felder verlaufen, ehe sie das Auffanglager Röszke erreichen.

Im Minutentakt kommen hier vollbesetzte Busse und Taxis an, die die Flüchtlinge aus dem Camp im 13 Kilometer entfernten Kanjiža an die Gleise befördern, eine Familie erzählt uns später, dass diese Busse offiziell beim Losfahren kostenlos sind, jedoch sobald die Polizei außer Sichtweite ist stehen bleiben und bis zu 15 Dollar pro Kopf verlangen.

Die Gleiche 10-köpfige Familie ist es auch, die uns erzählt, auf was sich die Kosten ihrer Flucht belaufen, so haben sie in Syrien ihr Haus und Auto verkauft, um die 5.000 Dollar, die sie pro Person alleine bis Ungarn bezahlt haben.

Hiervon sind alleine 1.200 Dollar für die Überfahrt nach Griechenland fällig gewesen, pro Person, egal wie groß oder klein, jung oder alt, auf einem Schlauchboot, welches vollkommen seeuntauglich ist und jederzeit untergehen hätte können.

Weitere 500 Dollar wollen sie noch an diesem Abend ausgeben:

Wenn sie es schaffen, durch das Maisfeld der Polizei zu entgehen, wartet an der nahen Tankstelle ein Schleuser auf sie, der sie bis an die österreichische Grenze fahren soll, vergleichsweise ein Schnäppchen.

Wir sehen uns um, viele Gruppen liegen im Schatten und scheinen zu warten, ob auf weitere Mitreisende, den Schutz der Dunkelheit oder schlichtweg um Energie zu tanken, wissen wir nicht.

Zwei offensichtlich serbische Anwohner stehen skeptisch dreinschauend auf den nicht abbrechenden Strom von Menschen, der an ihrer Tür vorbeizieht.

Als wir sie fragen, wie sie dazu stehen, braust die Dame auf und zieht uns mit vor ihrer Hecke, wo vereinzelt Fäkalien liegen, da sie allerdings kein Englisch spricht und uns nur schwer bis gar nicht versteht, lassen wir schnell von dem Versuch ab, ihr zu erklären, dass es keinen Zweck hat, uns, oder die Flüchtlinge dafür zu beschimpfen.

Auch auf dieser Seite der Grenze hält sich der Staat vollkommen raus, ein Polizeiauto steht auf der Straße und soll dafür sorgen, Tumulte zu ersticken, ansonsten hält sich die Regierung an das was sie sagt, sie greift nicht ein, solange die Asylsuchenden nicht länger als 72 Stunden auf serbischem Boden verweilen.

Der einzige Stand, der Wasser ausschenkt und Brote verteilt ist der einer österreichischen Privatorganisation, die am Tag zuvor ihren Sprinter vollgeladen hat, mit Wasserflaschen, Plastikbechern und einem Tisch.

Als wir uns mit dem einzigen Deutschen in der Gruppe sprechen erzählt dieser uns, was seiner Meinung nach hier fehlt, ganz klar medizinische Versorgung, so an ihrem Stand immer wieder Menschen vorbeilaufen, deren Knöchel offensichtlich gebrochen sind, die aber noch 3 Kilometer laufen müssen, um noch vor der Grenzschließung in Ungarn anzukommen.

Auf dieser Seite der Grenze ist alles darauf ausgelegt, die Leute nicht noch einmal aufzuhalten, sondern eine möglichst schnelle Weiterreise zu ermöglichen.

 

Mit Spürhunden auf der Suche nach Flüchtlingen

Als wir am Abend die beiden jungen Herren der REMAR zum Bahnhof nach Szeged gebracht haben und wieder auf das Hangar 1 zu kommen, sind auf der Straße große Gruppen von Menschen zu sehen, die offenbar in Busse gebeten werden, um sie nicht ohne Registrierung weiterreisen zu lassen.

Nach dem der letzte Container an der Lagerhalle steht und der LKW nur noch einen geladen hat, fahren wir 400 Meter weiter zu einem kleineren Camp, ob dieses eines der Erstaufnahmelager ist kann uns auch keiner so genau sagen.

Hier jedenfalls ist alles noch abgeriegelter als zuvor am Camp, wir selbst dürfen gar nicht auf das Gelände, nur der LKW-

Das laute Gebell von Spürhunden macht es einem schwer, das eigene Wort zu verstehen, wir fragen uns, ob das denn wirklich sein muss, ob die Panik der Leute, die hier ohnehin wenig bis gar nichts verstehen auch noch weiter durch Schäferhunde geschürt werden muss, die Leute stellen und anspringen, da ihre Aufpasser ihnen gegenüber anscheinend nicht durchsetzungsfähig genug sind.

 

„Tomorrow is another day“

Auf der Rückfahrt unterhalten wir uns mit Tibor und Annamária, die wir inzwischen beide ins Herz geschlossen haben.

Und als hätte sie nicht schon genug für uns getan, erzählt Annamária, dass am morgigen Sonntag eine Delegation um den Landesbischof der Evnagelisch-Lutheranischen Kirche Bayern Heinrich Bedford-Strohm zunächst in das Erstaufnahmelager Bicske, dann nach Röszke fahre.

Erzählt hat sie ihnen natürlich auch schon und alle seien total begeistert und würden sich freuen uns mitzunehmen und kennenzulernen.

Natürlich nehmen wir diese Einladung dankend an und freuen uns tierisch darauf, am nächsten Morgen wieder nicht auszuschlafen.

Pünktlich kommen wir am Budapester Ostbahnhof an und werden gleich von zwei Frauen mit deutschen Diakonie-Shirts gefragt, ob wir nicht zufällig die „Bielefelder Fahrradfahrer“ sind, anscheinend ja, das kommt davon, wenn man seinen Heimatort nur anhand der nächsten Großstadt erklären kann.

 

Bicske

Nachdem eine halbe Ewigkeit nach unserem Ankommen alle Fotos gemacht und alle Interviews geführt worden sind, können wir auch losfahren.

20 Minuten später fahren wir in das leergewordene Lager in Bicske ein, die Lagerleitung führt die Delegation von Kirche und Presse durch das Lager und beschönigt Ungarns Flüchtlingspolitik grundlegend.
Wir hören den Ausführungen ein wenig zu und trauen unseren Ohren nicht ganz, als wir hören, der einzige Grund dafür, dass in Ungarn im letzten Jahr nur 400 Asylanträge bestätigt worden sind, sei der, dass Deutschland zu offenherzig agiere und somit Ungarn die Flüchtlinge gewissenmaßen „wegnehme“.

Um in Ungarn zu bleiben gäbe es ja durchaus Anreize, so zahlt der Staat bei bestätigtem Asylantrag 90.000 Forint (knapp 300 Euro) monatlich, allerdings nur die ersten 6 Monate, dann wird dieser Betrag langsam eingedampft, aber auch das sei kein Problem, wo doch alle Unternehmen händeringend Arbeitskräfte suchten, so soll der Tesco direkt vor dem Lager zum Beispiel liebend gern bestätigte Flüchtlinge einstellen und auch während der Antrag noch geprüft wird, was in der Regel 60 Tage dauern soll, hätten die Asylsuchenden die Möglichkeit, im Lager Arbeit aufzunehmen.

Vor unserer Abfahrt sprechen wir noch mit Jamir, er ist einer von momentan 400 Flüchtlingen, die zur Zeit im Lager Bicske sind, die Zelte mit teilweise 8 Matten darin erzählen allerdings die Geschichte von tausenden, die noch vor wenigen Wochen und Tagen hier gewesen sein müssen.

Jamir erzählt uns, dass er es schon bis Finnland geschafft hatte, dann aber dank Dublin III nach Ungarn zurückgeschickt wurde, hier wartet er nun seit 7 Monaten darauf, dass sein Flüchtlingsstatus anerkannt wird, das Verfahren scheint also doch länger als 60 Tage zu dauern, deutlich länger.

Als wir ihn fragen, wie es denn mit dem Geld und Jobs aussieht, sagt er uns, er bekomme 10 Euro die Woche, könne allerdings entgegen der Aussage des Campleiters keine internen Arbeiten verrichten, so etwas existiere nicht.

Und auch wenn der Antrag mal bestätigt werden sollte, weiß Jamir von Bekannten, dass hier in Ungarn niemand Syrer, Afghanen oder Iraner einstellen möchte.

 

Röszke

Wieder einmal fahren wir 2 Stunden, bis wir in Röszke ankommen, die Delegation hat sich allerdings verfahren, so dass wir nun an der Tankstelle stehen, wo gestern die syrische Familie auf ihren Schleuser treffen sollte, und tatsächlich, es scheint ein wahres Fest für die Schleuser zu sein, wir sehen Scharen von ihnen, manche Auto-, manche LKW-Fahrer.

Nachdem Arne es endlich schafft unserem ungarischen Fahrer zu erklären, wie man zu Hangar 1 fährt, kommen wir als letzte dort an.

Heute kommt niemand auf das Gelände, das Tor ist geschlossen, die Armee hat sich positioniert.

Da hier nichts zu machen ist, setzt sich unser Konvoi wieder in Bewegung und sucht eine Straße, die zum „Feld-Camp“ führt, welche nicht abgesperrt ist.

Dort angekommen sehen wir eine noch deutlich größere Schlange vor den Bussen als gestern, generell tummeln sich hier mehr Menschen, ein riesiges Durcheinander von NGOs, Flüchtlingen und Freiwilligen.

Wieder einmal hören wir den Landeskurator der Evangelisch-Lutherischen Kirche, welcher zugleich auch Staatssekretär ist, wie er die Fragen einer Angestellten der Diakonie Katastrophenhilfe beantwortet.

Dieses Mal stehen wir allerdings nicht nur unbeteiligt daneben, als er den Grund für das nicht-Bleiben der Migranten in Ungarn wiederum in Deutschland ausmacht, sondern fragen ihn, ob es nicht auch nachvollziehbar sei, wenn ein Flüchtling in einem Land, in dem die Regierung mit einer Anti-Migration-Kampagne Hetze betreibt, kein Asyl beantragen möchte, sondern so schnell wie möglich weiterreist.

Seine Antwort ist ein ausweichendes „woher sollen die denn davon wissen“.

Dass Flüchtlinge untereinander so gut vernetzt sind, dass sie genau wissen, nach wie vielen Metern sie in welches Maisfeld abbiegen müssen, interessiert ihn nicht.

Warum die Menschen überhaupt weiterreisen versteht Gergely Prőhle nicht, es bestünde doch schließlich keine Lebensgefahr, als wir nachhaken, ob er der Meinung ist, in Syrien sei das Leben gesichert verneint er genervt, aber danach sei man doch sicher, die Menschen können doch also einfach in Serbien bleiben, wo ihr Leben nicht mehr bedroht ist.

Mit dieser Aussage lässt er uns stehen und zieht mit seinen Kindern im Schlepptau von dannen.

 

Friede, Freude, Eierkuchen

Wenig später sehen wir den Staatssekretär wieder, als wir zusammen mit Annamária Richtung Grenzzaun schlendern, fährt ein Pick-Up der Ökumenischen Kirche an uns vorbei, auf der Ladeflächen hockt Herr Prőhle zusammen mit seinen Kindern und weiteren ihm anscheinend gleichgesinnten, dabei haben sie Wasserflaschen, die sie lachend versuchen, zu verteilen, das Ganze hat schon sehr was von Sekte, wie diese 6 Leute da zusammen auf der Ladefläche sitzen, bei jeder Bodenwelle schaukeln und johlen und gemeinsam Gutes tun.

Wie paradox dieses Verhalten im Vergleich zu ihren Aussagen ist, scheint sie nicht weiter zu stören.

Auch Annamária kann nicht verbergen, dass sie kein Fan vom Staatssekretär ist, aber es sei nun mal Tradition, dass der Vorstand der Kirchen immer aus einem Pfarrer und einem nicht-Pfarrer besteht, sagt sie.

Er sei der Staatssekretär und Landeskurator, sie nur eine Angestellte, noch dazu eine Frau, allerdings sei sie fähig, sich zu freuen, auch wenn sie nur ein, zwei Mensch glücklich gemacht hat, und das ist es, was zählt.

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